In den letzten acht Monaten hat sich bei meinem Großkind so Einiges getan.

Seit Oktober 2019 hat er eine 1:1-Betreuung in der Kita, die ihn im Kita-Alltag unterstützt. Er hat nun Hilfe bei Konflikten mit Anderen und dabei, sich in seiner Wahrnehmung zu fokussieren. Außerdem ist es nun möglich, ihn aus Situationen heraus zu nehmen und ihm Auszeiten einzuräumen. Man merkt, dass es dem Großkind sehr gut tut und er das braucht. Ab Sommer 2020 soll das Ganze auch in eine Schulbegleitung übergehen.

Ende November hatten wir dann endlich Besuch vom Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) zur Begutachtung in Bezug auf den Pflegegrad. Rückwirkend zum Juli 2019 hat das Großkind nun Pflegegrad 2. Die häusliche Pflege ist mit 21 Stunden pro Woche angesetzt. Pflege heißt in diesem Fall natürlich keine körperliche Pflege wie bei körperlich behinderten Menschen. Es geht eher um Begleitung in sozialen Interaktionen, engere Begleitung z.B. im Straßenverkehr, da er durch die fehlende Impulskontrolle weglaufgefährdet ist, und die Begleitung zur wöchentlichen Frühförderung und Ergotherapie. Durch den Pflegegrad bekommen wir nun monatlich 316,- € Pflegegeld. Außerdem haben wir monatlich 125,- € Entlastungsleistungen zur Verfügung, die nicht ausbezahlt werden, sondern in Leistungen gesteckt werden können, die die pflegenden Angehören entlastet. In unserem Fall ist das ein Haushaltshilfe, die (theoretisch) einmal pro Woche für zwei Stunden zu uns kommt und die Grundreinigung macht. Praktisch liegt das aktuell dank Corona natürlich erstmal alles auf Eis.

Außerdem bereits Ende letzten Jahres beantragt hatte ich die Prüfung des Grades der Behinderung. Es hat sich lange hingezogen, im Februar musste ich nochmal Unterlagen nachreichen und einen Fragebogen ausfüllen. Nun, Ende April, gab es nun endlich eine Entscheidung: das Großkind ist nun offiziell zu 70% schwerbehindert und hat auf seinem Schwerbehindertenausweis die Merkzeichen H (=Hilflosigkeit), G (=Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) und B (=Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson).
Nach so langer Zeit bin ich sehr froh, dass nun auch das endlich geklärt und durch ist!

Allerdings ist es schon auch ein ziemlich krasses Gefühl, plötzlich ein offiziell behindertes Kind zu haben! Schwerbehindert – schon ein ziemlich krasser Stempel.

Asperger-Autismus sieht man einem Menschen nicht an – auch meinem Großkind nicht. Auch ich vergesse leider noch immer viel zu oft, dass er Vieles einfach nicht anders kann. Ich unterstelle ihm, sich wie ein normales Kind verhalten zu können – und bin dann enttäuscht und böse, wenn er es nicht tut. Oft habe ich nicht den Nerv und/oder die Zeit, wirklich so auf seine Eigenheiten zu reagieren, wie er es verdient hätte. Vor allem dieses ständige Rumgezappel, Rumgespringe, und ganze Besonders das ständige mit den Händen herumgefuchtel macht mich phasenweise wirklich wahnsinnig! Viel zu oft wünsche ich mir, einfach ein ganz normales, gesundes Kind zu haben – weil es oft unglaublich anstrengend ist, vor allem weil da auch noch zwei jüngere Geschwister umher springen.

Den Schwerbehindertenausweis jetzt plötzlich hier liegen zu haben, hat mir in den letzten Tagen nochmal sehr deutlich vor Augen geführt, dass ich noch mehr Verständnis und Geduld zeigen muss – auch in Situationen, in denen es schwierig ist. Noch öfter tief durchatmen, bevor ich überhaupt irgendwie reagiere.

Es ist noch ein langer, anstrengender Weg, der da vor uns liegt – aber ihn zu gehen und zu kämpfen wird sich lohnen!

 

Anfang Mai 2020